Stimmungen

Peter Clementsen
Telefon (040) 37429233
Peter.Clementsen@t-online.de

Zur Frage der verschiedenen wohltemperierten Stimmungen

Der Nutzer eines Klaviers wird für gewöhnlich mit der Frage nach reinen Quinten nicht konfrontiert. Viele haben schon vom „Wohltemperierten Klavier“ von Johann Sebastian Bach gehört, einer Sammlung von Präludien und Fugen in verschiedenen Tonarten. Wer alte Musik mag, wird schon einmal von historischer oder mitteltöniger Stimmung gehört haben. In erster Linie kommt es aber darauf an, dass sein Klavier nicht verstimmt ist, jedenfalls nicht so sehr, dass es unangenehm wird.

Andererseits gibt es Beobachtungen, die neugierig machen können:

  • Manch ein Hörer, besonders Kinder, finden den Klavierklang nach der Stimmung „langweilig“ im Verhältnis zum Klang vor der Stimmung.
  • Für manch interessierten Hörer klingt ein Stück in C-Dur anders als in D-Dur oder gar Cis-Dur, jedenfalls wird es mit großer Überzeugung behauptet.
  • Die konsonanten Intervalle (Quinte, Quart, Terz) müssen einen schönen Zusammenklang ergeben. Das ist der schwierige Teil der Stimmung. Denn würden die kleine und die große Terz rein gestimmt werden, dann lägen sie nicht einen Halbton auseinander, sondern nur gut die Hälfte davon. Das ginge also nur bei einzelnen Terzen, nie bei allen. Bei den anderen Intervallen ist es nicht viel besser. Man muss also Kompromisse machen, besonders, wenn man nicht nur immer in C-Dur spielen will. Das nennt sich „Temperatur“ und jeder Kompromiss, der in jeder Tonart nett klingt, heißt „wohltemperiert“.

Heutzutage wird meistens gleichstufig gestimmt, alle Halbtöne sind also genau gleich groß (das ist die so genannte „gleichstufige“ oder „gleichschwebende" Stimmung, sie wird fälschlicherweise oft mit dem Oberbegriff „wohltemperiert“ betitelt). Das klingt einfach und klar, hat aber erhebliche Nachteile: Erstens gibt es keine wirklich sauberen Quinten mehr (aber fast); zweitens sind die Terzen sehr unrein (das betrifft aber alle Stimmungen, sogar die „mitteltönigen“); drittens klingt jede Tonart gleich, C-Dur wie D-Dur usw. – das ist in meinen Augen der Hauptnachteil!

In den folgenden Unterkapiteln wird eine Art von Klavierstimmung erklärt, bei der die Nachteile der gleichstufigen und anderer Stimmungen vermieden werden.

Der erste Anstoß für mich, den Kompromiss der gleichstufigen Stimmung wieder in Frage zu stellen, kam aus Dornach. Maria Renold, Dozentin für Musiktherapie am Goetheanum (1917-2003), schlug 1985 vor, eine neue Stimmung mit zehn reinen und zwei unreinen Quinten (gegenüber zwölf unreinen Quinten bei der gleichstufigen Stimmung) einzuführen. Natürlich ist die Unreinheit der zwei unreinen Quinten größer als die der zwölf bei der gleichstufigen Stimmung. Der Klang dieser Stimmung ist schön, aber ungewöhnlich, besonders für Musiker, die an die gleichstufige Stimmung gewöhnt sind. Außerdem gibt es in den Dreiklängen nur drei verschiedene Klänge (Verteilung der Schwebungen). Darum habe ich weiter gesucht und schließlich mit sechs unreinen und sechs reinen Quinten eine Stimmung gefunden, die eine erfreuliche Kombination zweier Stärken ergibt: eine Stimmung, die einerseits der gleichstufigen Stimmung sehr ähnelt, andererseits aber bei genauem Hinhören eine feine Differenzierung der verschiedenen Tonarten erkennen lässt. Dabei ergeben sich umso mehr Schwebungen, je mehr Vorzeichen die Tonart hat, C-Dur klingt fast unbewegt, Fis-Dur (Ges-Dur) hat die meisten Schwebungen (und ist nebenbei auch noch eine pythagoräische Tonleiter, daher der Name „wohltemperiert pythagoräisch“). So sind in Dur und Moll 16 der 24 Tonarten verschieden!

Später fand ich diese Stimmung als „Vallotti-Stimmung“ beschrieben. Sie wurde gegen 1770 erstmals dokumentiert. Sie wird auch heute noch verwendet, wenn mit historischen Instrumenten gespielt wird. Eine Erklärung, warum die gleichstufige Stimmung sich trotzdem durchsetzte, fand ich nicht; auch keine Hinweise, die Unterschiede der Tonarten etwas weniger auffällig zu machen, wie es im Folgenden beschrieben wird. Das mag ein Grund sein, dass die gleichstufige sich als unauffälligste Stimmung durchsetzte.

Es werden in Abschnitten die Hintergründe der temperierten Stimmungen beschrieben, sowohl geschichtlich als auch klanglich. Dabei werden auch meine Versuche beschrieben, die wohltemperierte Stimmung weiter zu entwickeln, zuerst mit 10, dann mit 9 und dann mit 6 reinen Quinten. In Quintenzirkeln, Tabellen und Grafiken wird das übersichtlich darzustellen versucht. Es folgen Tipps zur Stimmung in den neuen Temperaturen und die Grundlagen für die Berechnungen, die ich dazu angestellt habe. Die Ergebnisse dieser Berechnungen werden ausführlich und auch in möglichst übersichtlicher Art dargestellt.

Abschließend gibt es zwei Zitate aus dem Internet, zur Streckung und von einem amerikanischen Musikprofessor zu den Nachteilen der gleichstufigen Stimmung. Es handelt sich dabei um die auszugsweise Übersetzung eines englischen Buches.

Diese Information wird laufend verbessert. Vorschläge dafür nehme ich gern an.